07/10/2021

Lichtverschmutzung vor Gericht – Ein Legal Thriller

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Verfasser L&L Communication Team
Kategorie Lichtgeschichten
Lesedauer

Min.

Ruhe bitte! Erheben Sie sich!

Der ehrenwerte Richter betritt den Saal. Das Stimmenmeer im Gerichtssaal verebbt. Alle sehnen gespannt dem Urteil des Richters entgegen, das den Schuldigen der Lichtverschmutzung zur Verantwortung ziehen soll.

Wie wir sehen werden, keine ganz leichte Aufgabe. Machen wir einen Sprung zurück zum Auftakt des Verfahrens, als die Meldung des Delikts durch Eingang der „notitia criminis“ erfolgte.

Lichtverschmutzung im Visier – Der Sachverhalt

Am gestrigen Tag befand sich der Geschädigte gegen 19 Uhr auf dem Nachhauseweg von der Arbeit. Man beachte, dass sich der Sachverhalt mitten im Winter zutrug, also um diese Zeit bereits tiefe Dunkelheit herrschte.
Da sich der Geschädigte am Nachmittag bei einem Kundenbesuch befunden hatte, ging er eine andere Strecke als gewöhnlich, durch einen ihm unbekannten Stadtteil.

Orientierungslos irrte er durch die Straßen auf der Suche nach Wegweisern. Bereits beim ersten Blick hinauf zu einem Straßenschild wurde er Opfer eines ersten Angriffs: Blendung! Die Lichtquelle einer nicht angemessen entblendeten Straßenlaterne ließ ihn vorübergehend erblinden.

Um seine Sehfähigkeit zurückzuerlangen, wandte der Geschädigte unweigerlich den Kopf zur anderen Seite, wo er sich jedoch ausweglos einem Licht-Clutter gegenüber sah: sein Blick traf nicht einen Lichtaustritt, sondern das Licht zweier Leuchten, das sich ohne nachvollziehbaren Grund überlagerte. Im vorliegenden Fall strahlten eine Mastaufsatz-Leuchte mit modernster LED-Technologie und eine alte Natriumdampflampe in einem wilden Durcheinander um die Wette.

Der Geschädigte setzte seinen Weg daraufhin nur zaghaft und besonders umsichtig fort, als er unversehens von einem zirka 60-jährigen Herrn zurecht gewiesen wurde. Der Mann unterhielt sich in seinem Vorgarten gerade mit seiner Ehefrau und will einen scheinbar eindringlichen, geradezu durchdringenden Blick des Passanten bemerkt haben. Letzterer war von dieser Zurechtweisung sichtlich peinlich berührt und versuchte sich mit einem Hinweis auf den Light Trespass, das durchdringende Licht der Laterne an der Straßenecke, als Ursache seiner Handlung zu entschuldigen. Seine Entschuldigung fand jedoch keinen Anklang.

Da sich der Geschädigte nicht anders zu helfen wusste, richtete er seinen Blick hilfesuchend zum Himmel. Diese Geste konnte sein Unbehagen allerdings in keinster Weise mildern, denn der Skyglow hinderte ihn daran, den nächtlichen Sternenhimmel zu bewundern. Das Himmelszelt war wie in einem orangefarbenen Schleier gefangen.

Was versteht man eigentlich unter Lichtverschmutzung?- Das Delikt

Unter Lichtverschmutzung versteht man 1

jede nachteilige Auswirkung, die auf den Einsatz künstlicher Lichtquellen während der Nacht zurückzuführen ist.

Das Phänomen „Lichtsmog" gleicht einem vierköpfigen Ungeheuer, das sich mit folgenden Schlüsselbegriffen (1B) beschreiben lässt:

🔶 Glare: Blendung bzw. Situation, in welcher der Blick auf eine absolut unerwartete und störende Lichtquelle trifft;

🔶 Clutter: eine ungeordnete und chaotische Mischung von Lichtemissionen verschiedener Lichtquellen, beispielsweise im Fall von Leuchtengruppen, die zu eng beieinanderstehen;

🔶 Light Trespass: falsch gelenktes oder gesteuertes Licht, das in Bereiche strahlt, die nicht beleuchtet werden sollten 

🔶 Skyglow: regelrecht glühende Lichtglocken oder Hotspots am Nachthimmel oberhalb unserer hell erleuchteten Städte machen einen Blick auf das Himmelszelt unmöglich 2

Diese vier Phänomene können auch in Kombination auftreten und sich gegenseitig sogar überlagern!

Die obige Definition von Lichtverschmutzung wurde von der internationale Organisation IDA (International Dark-Sky Association) erarbeitet, die ihren Sitz in den USA hat.
Bereits seit 1988 „fahndet“ die Vereinigung nach Lichtverschmutzung und ermutigt die internationalen Gemeinschaften zu einer nachhaltigen und umweltverträglichen Beleuchtung. Durch Studien, wissenschaftliche Belege und Daten soll weiteren Vergehen der Lichtverschmutzung vorgebeugt werden.

Als Beweis der Schwere der Lichtverschmutzung, im vorliegenden Fall des Skyglow, verweisen wir auf eine im Jahr 2016 von Science Advance im World Atlas of Artificial Night Sky Brightness veröffentlichte Studie. Dieser wissenschaftlichen Quelle zufolge leben 83% der Weltbevölkerung und 99% der Menschen in Europa und den USA unter einem von Kunstlicht verschmutzten Himmel. In einfachen Worten ausgedrückt: eine von drei Personen kann die Milchstraße nicht sehen, wobei sich 60% davon in Europa und fast 80% davon in Nordamerika befinden. 3

Ein weiterer Beweis sind die „Licht-Bilder der Erde" von Black Marble der US-Weltraumbehörde NASA. Unter dem Namen „Die schwarze Murmel" werden täglich aus dem Weltraum Foto- und Videoaufnahmen vom Planeten Erde erstellt und als City Lights – Stadtlichter – auf einer Karte (siehe unten) sichtbar. Man beachte die eindeutig erkennbare Überdosis an Licht in den städtischen Ballungsräumen und industriestärksten Zonen unseres Planeten.

Earth at Night: Global Map 2016 (NASA Earth Observatory)

Earth at Night: Global Map 2016 (NASA Earth Observatory)

Das Gesetz ist eben nicht für alle und überall gleich – Rechtsgrundlagen

Zum „Verbrechen" der Lichtverschmutzung liegen keine einheitlichen überstaatlichen Gesetze vor. Diese uneinheitlichen Regelungen sind auf die länderspezifischen Situationen und Anforderungen zurückzuführen. Bislang setzte man auf Richtlinien, die den einzelnen Staaten einen erheblichen Interpretationsspielraum lassen. Aufgabe einer jeden Nation ist es, einen gelungenen Kompromiss zwischen Umweltschutz und nationalen Bedürfnissen und Anforderungen zu finden.

Allerdings kommen auch auf lokaler Ebene unterschiedliche juristische Quellen zum Tragen. In Italien beispielsweise wurden verschiedene Gesetze auf regionaler Ebene zum Schutz des Nachthimmels verabschiedet.

📜 Die Region Venetien, in der das Unternehmen L&L Luce&Light ansässig ist, darf in dieser Hinsicht als Vorreiter gelten. Das ist nicht zu letzt den vielen Sternwarten zu verdanken, die sich auf der Hochebene von Asiago im Umland von Vicenza befinden. 1997 verabschiedete die Region Venetien das Gesetz „Norme per la prevenzione dell’inquinamento luminoso” (Richtlinien zur Vorbeugung der Lichtverschmutzung). Weitere Regionen folgten daraufhin ihrem Beispiel. 4  Zwei Jahre später erließ die italienische Institution für Normung UNI (Ente Italiano di Normazione) die Norm UNI 10819:1999, zuletzt aktualisiert im März 2021, die Vorgaben zu „Berechnungs- und Prüfmethoden zur Bewertung des nach oben gestreuten Lichtflusses, der von den künstlichen Lichtquellen der Beleuchtungsanlagen im Außenraum emittiert wird" enthält. 5

📜 Auch unser Nachbarland Frankreich hat reagiert. Hier hat die ANPCEN, die Vereinigung Association Nationale pour la Protection du Ciel et de l’Environnement Nocturnes, einen Beschluss verfasst, laut dem die Verwendung von Lichtquellen mit einer Farbtemperatur von 2200K empfohlen wird. So soll der Einsatz von Licht mit hohen Blauanteilen verringert werden, die wesentlich zur Lichtverschmutzung beitragen. 6

📜 Diese regionalen Gesetze orientieren sich an den EU Green Public Procurement Criteria for Road Lighting and Traffic Signals, besser bekannt unter der Abkürzung GPP, die den Einsatz von Lichtquellen mit einer Farbtempertur von max. 3000 K vorschreiben. 7

📜 In Übersee, in den Vereinigten Staaten von Amerika, erließen IDA und IESNA im Jahr 2011 die Model Lighting Ordinance (MLO). Die MLO ist eine Art Ratgeber, die den einzelnen Gemeinden bei der Erarbeitung von Normen und Richtlinien zur Kontrolle und Verringerung der Lichtverschmutzung im Außenbereich helfen soll. 8

Vorerhebungen - auf der Anklagebank

Die eingehende Auseinandersetzung mit der „notitia criminis“ führte zu einem „Täterprofil“ und brachte die Ermittler auf die Spur der mutmaßlichen Verantwortlichen der Lichtverschmutzung.

Im Fall der Außenbeleuchtung wird in erster Instanz eine ganze Reihe potentieller Verantwortlicher für die Lichtverschmutzung festgestellt: Die Außenbeleuchtung im städtischen Umfeld mithilfe einer übertrieben hohen Anzahl an Straßenlaternen, die Installation von Werbetafeln oder Leuchtreklame an Geschäften und Shops, die die Schwelle der erforderlichen Lichtstärke bei Weitem überschreiten, sowie die unüberlegte Beleuchtung von Bauwerken, Gebäuden oder Wohnhäusern, immer und überall.

Eine eingehende Prüfung der Ereignisse erfordert eine „Ausweitung der Täterschaft“ auch auf die Innenbeleuchtung, wie im Fall von Geschäfts- und Büroräumen, in denen die Innenbeleuchtung auch weit über die Ladenöffnungszeiten hinaus bzw. auch bis weit nach Feierabend eingeschaltet bleibt, ohne dass dabei Lichtemission und Beleuchtungsstärke in einem angemessenen Verhältnis zu den dortigen Sehaufgaben bei Nacht stünde.

In Anbetracht des erläuterten Tatbestands ist eine Prüfung des Beweismaterials und eine wissenschaftliche Betrachtung des Sachverhalts nötig, um die tatsächliche Schuldfähigkeit des Kunstlichts, sei es im Innen- oder Außenraum, als Ursache für das Phänomen der Lichtverschmutzung festzustellen.

Ermittlungsstrang 1 - Tier und Lichtverschmutzung

Wissenschaftliche Studien belegen klar die negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Tierwelt, von deren Balzverhalten bis hin zur Migration, von ihrer Orientierungsfähigkeit bis hin zur Nahrungssuche.

Nachfolgend werden beispielhaft einige Präzedenzfälle angeführt.

🦉 Eulen machen sich für die Jagd die Nacht zu Nutze und überraschen ihre Beute im Dunkeln. Die Gejagten hingegen nutzen die Dunkelheit, um sich besser vor den gefiederten Jägern der Nacht zu verstecken. Das Gleichgewicht der Jäger-Beute-Beziehung basiert auf der natürlichen Dunkelheit der Nacht.

🦟 Glühwürmchen brauchen die Dunkelheit zur Kommunikation und Paarung. „Ohne Nacht ist nicht gut Glühen“: Künstliches Licht sorgt bei den Käfern für Verwirrung und ohne Dunkelheit ist die Partnersuche für Glühwürmchen kaum noch möglich.

🐢 Die Reproduktion der Schildkröten wird von elektrischer Beleuchtung stark beeinflusst, da sich diese auf den Orientierungssinn der Reptilien auswirkt. Diese Spezies findet nach dem Ablegen der Eier eigentlich den Weg zurück ins Meer, indem Sie dem Mondschein und den Sternen folgt, die auf dem Wellenkamm reflektiert werden. Anderweitige Lichtquellen verwirren sowohl ausgewachsene Tiere wie auch die Baby-Schildkröten und machen ihnen das Auffinden des Rückwegs zum Wasser praktisch unmöglich.

🦅 Als weiteres Fallbeispiel wird es als notwendig erachtet, die Zugvögel anzuführen, die von ihrer Route abkommen, da sie einem Übermaß an visuellen, durch künstliches Licht erzeugten Stimuli ausgesetzt sind. Diesen Irrflug bezahlen viele Vögel mit dem Leben.

Solche und ähnliche Tatsachen haben zu einer vertieften Betrachtung der Rolle von künstlichen Lichtquellen bei diesen Ereignissen sowie die Beziehung zwischen Kunstlicht und Tierwelt geführt. Weitere Studien haben gezeigt, wie Tiere ganz unterschiedlich auf verschiedene Wellenlängen von abgestrahltem Licht reagieren.

Für den Großteil der Fauna gilt: kalte Farbtöne bergen größere Gefahren, da sie einen höheren Grad an Störungen verursachen. Auf Lichtquellen mit längeren Wellenlängen, also Farbtemperaturen von 3000K, reagieren die Tiere meist weniger empfindlich bis gar nicht. Im Fall der Schildkröten konnte gezeigt werden, dass Ambertöne ihre Orientierung nicht beeinflussen. Bei der Lichtfarbe Amber finden sie problemlos den Weg zum Meer, da sie den sich darin spiegelnden Mond erkennen. 9

Daraus folgt, dass die Störungen, denen die Tiere ausgesetzt sind, nicht zwangsläufig auf die Präsenz von Kunstlicht zurückzuführen sind. Ausschlaggebend ist vielmehr die Farbtemperatur.

 

Ermittlungsstrang 2 - Mensch und Lichtverschmutzung

Analog zur wilden Tierwelt leiden auch wir Menschen unter den Auswirkungen der Lichtverschmutzung, die – wie bereits angesprochen – definiert ist als jede nachteilige Auswirkung, die auf den Einsatz künstlicher Lichtquellen während der Nacht zurückzuführen ist.

Erst durch die Entwicklung der elektrischen Beleuchtung wurde es den Menschen möglich, ihren Aktivitäten auch nach Sonnenuntergang nachzugehen. Wir müssen nicht mehr zwingend einem Licht-Dunkel-Rhythmus bzw. Tag-Nacht-Rhythmus folgen. Ist der Mensch aber – vor allem während der Abendstunden – Lichtquellen mit kurzen Wellenlängen ausgesetzt, so hat dies störende Auswirkungen auf sein körperliches Wohlbefinden. Der Einfluss auf unsere sogenannte circadiane Rhythmik, also unsere biologische Uhr bzw. unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, ist nicht zu unterschätzen. Gesundheitsbeschwerden können die Folge sein, und im schlechtesten Fall sogar ernstzunehmende Erkrankungen, wie Depressionen, Übergewicht und in extremen Fällen selbst Tumorerkrankungen.

Kaltes oder blaues Licht aktiviert das menschliche Gehirn und raubt uns im wahrsten Sinne des Wortes den Schlaf. Es suggeriert einen Aktivierungszustand wie am hellichten Tag und unterdrückt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Warme Lichtfarben hingegen werden von uns unterbewusst mit dem natürlichen Licht am Abend, etwa bei einem Sonnenuntergang, gleichgesetzt. Sie bereiten unseren Körper auf die Nachtruhe vor.

Zur besseren Nachvollziehbarkeit denke man nur einmal an die unterschiedliche Wahrnehmung eines Raums mit warmweißer oder kaltweißer Beleuchtung.

warmes Licht

warmes Licht

kaltes Licht

kaltes Licht

Es gilt zu beachten, dass auch die Lichtstärke eine bedeutende Rolle spielt und die Menschen ganz gerne mal aus ihrem Gleichgewicht bringt. Übermäßige Beleuchtung bringt unser Nervensystem dazu, eine Situation als Tag-Szene zu interpretieren, ganz gleich ob es gerade Mittag oder Mitternacht ist.

Auf dem Bild unten lässt sich gut der Unterschied zwischen zwei verschieden stark beleuchteten Räumen erkennen. Es besteht kein Zweifel, welcher Raum uns visuell eher zusagt. Im ersten Fall ist das Licht sehr intensiv und das Wohnzimmer ist taghell erleuchtet: bei den Bewohnern sorgt ein solches Licht dafür, die Schwelle der Aufmerksamkeit hoch zu halten und stimuliert weiter den Wachzustand, während das Licht auf dem zweiten Bild sehr viel diskreter ist und zu entspannten Abendstunden einlädt.

hohe Lichtstärke

hohe Lichtstärke

geringe Lichtstärke

geringe Lichtstärke

Einerseits wäre es also ratsam, auf Lichtquellen mit längeren Wellenlängen bzw. wärmeren Farbtönen zu setzen. Andererseits sollte man dimmbare Leuchten vorziehen, um die Lichtstärke je nach Bedarf zu senken, wobei man sich stets vom biologischen Gleichgewicht des Menschen leiten lassen sollte.

Ermittlungsstrang 3 - Overlighting und die Verschwendung öffentlicher Ressourcen in der Wirtschaft

Phänomene der Lichtverschmutzung und die Verschwendung von wirtschaftlichen Ressourcen stehen in einer starken Wechselbeziehung. Paradoxerweise hat gerade die Verfügbarkeit von Lichtquellen mit verbesserter Performanz die Gemeinden dazu veranlasst, die Anzahl der Leuchten zu erhöhen! Die tatsächliche räumliche wie zeitliche Notwendigkeit dieser Beleuchtung wurde vollkommen außer Acht gelassen, was zum sogenannten Overlighting führte.

Als Beleg der obigen Reflexion lassen sich Daten über den Verbrauch elektrischer Energie zur Beleuchtung öffentlicher Bereiche anführen. Die IDA berichtet, dass in den USA innerhalb eines Jahres 120 Terawattstunden Energie für die Außenbeleuchtung verbraucht werden, hauptsächlich zur Beleuchtung von Straßen und Parkplätzen. Diese Menge Strom würde ausreichen, um ganz New York City (Die Stadt, die niemals schläft) zwei Jahre lang mit elektrischer Energie zu versorgen. 11

In Italien geben die Gemeinden jährlich 1 Milliarde und 800 Millionen Euro für Energie aus, zwei Drittel davon fließen in die öffentliche Beleuchtung. Ein Betrag, der dem „Belpaese“ Platz 1 unter den europäischen Ländern mit den höchsten Stromausgaben im öffentlichen Bereich einbringt. 12

Italy, 2016 (Nasa Worldview Earthdata)

Italy, 2016 (Nasa Worldview Earthdata)

Pianura Padana, 2016 (Nasa Worldview Earthdata)

Northern Italy, 2016 (Nasa Worldview Earthdata)

Und wenn der Grund für eine solche Verschwendung tatsächlich in der starken Verbreitung von Lichtquellen mit höherer Performance zu suchen wäre? Brauchen wir wirklich so viel Licht?

Ist es wirklich nötig, bei Nacht einen Parkplatz in einem Einkaufszentrum taghell zu beleuchten? Ist es sinnvoll, dass alle Straßenlaternen auf dem Land um 3.00 Uhr morgens angeschaltet sind? In ländlichen Gegenden sind die menschlichen Aktivitäten in der Nacht praktisch gleich Null und es besteht keine Notwendigkeit zu einer flächendeckenden Beleuchtung.

Dagegen könnte man vorbringen, dass hohe Lichtniveaus an abgelegenen Orten die Wahrscheinlichkeit von Einbruchsdelikten und anderen Verbrechen sowie die Gefahr von Verkehrsunfällen verringern. Diese Argumentation wurde im Rahmen des Projekts LANTERNS jedoch widerlegt: eine vierzehnjährige Studien (von 2000 bis 2013), bei der 62 Ortschaften in England und Wales unter die Lupe genommen worden waren. Dabei wurden verschiedene Beleuchtungsstrategien eingesetzt: die öffentliche Beleuchtung wurde ganz oder teilweise ausgeschaltet, das Licht wurde gedimmt oder die traditionellen Lichtquellen wurden mit LED-Leuchten ersetzt.

Die gesammelten Daten zeigen, dass kein Zusammenhang zwischen einer Reduzierung der öffentlichen Beleuchtung und einer Zunahme von Kriminalität oder Unfällen besteht. 13

Die drei Strategien zur Lichtsteuerung, die im Rahmen des Projekts LANTERNS analysiert wurden, sind nicht nur ein reiner Forschungsgegenstand, sondern werden manchmal sogar vom Gesetz gefordert. So verlangt ein in der Region Venetien geltendes Gesetz beispielsweise die Reduzierung des Lichtstroms um 30% bis spätestens 24 Uhr.

Hochmoderne Dimmsysteme erlauben problemlos eine Kalibrierung von Stärke und Menge des abgestrahlten Lichts in einem bestimmten Bereich oder zu festgelegten Zeiten. Dahingehend ist auch ein Verweis auf die virtuelle Mitternacht (Virtual Midnight) von Nöten: durch diesen Dimm-Modus kann eine Nachtabsenkung stattfinden, also der Lichtaustritt in den Nachtstunden reduziert werden, ohne dass dazu zusätzliche Steuerkomponenten eingesetzt oder installiert werden müssten.

Der Gebrauch von Sensoren und Bewegungsmeldern optimiert die Außenbeleuchtung weiter, da diese dafür sorgen, dass sich die Leuchte nur beim Passieren eines Fahrzeugs oder eines Fußgängers einschaltet. So wird kaum Energie verschwendet und gleichzeitig die Menge des in die Atmosphäre gestreuten Lichts auf ein Minimum begrenzt.

Der Richter hat das letzte Wort – das Urteil

Wir sind wieder zurück im Gerichtssaal, wo gerade die Urteilsverkündung im Gange ist.

Um festzustellen, was letztlich Schuld an der Lichtverschmutzung trägt, wurden drei Ermittlungsstränge verfolgt. Aus der Auseinandersetzung ergibt sich folgendes: Der künstlichen Beleuchtung kann keinerlei Schuld an der Lichtverschmutzung vorgeworfen werden. Hingegen verantwortlich für das Delikt der Lichtverschmutzung ist ein falscher bzw. fehlerhafter Einsatz der Lichtwerkzeuge und Geräte, durch die künstliches Licht erzeugt wird.

Unter Berücksichtigung der subjektiven Komponente, die bei der Auswahl und Anwendung von Leuchten bestimmend ist, fordert das Gericht die im Gerichtssaal Anwesenden auf, sich immer an Leuchten-Fachpersonal und Lichtprofis zu wenden, um dieses Verbrechen bereits im Ansatz zu ersticken bzw. dessen Ausbreitung zu verhindern.

Es zeigt sich die Notwendigkeit von verantwortungsbewusster Beleuchtung, welche Rücksicht auf die Umwelt nimmt und dabei trotzdem die Projektanforderungen sowie die architektonischen Anforderungen erfüllt. Dieser Ansatz folgt den einschlägigen Gesetzen und Normen.

⚖️ Der erste Schritt hin zu einer verantwortungsbewussten Beleuchtung ist die Wahl der passenden Position und Ausrichtung der Leuchte. Bei der Anordnung der Leuchte darf nicht nur das zu beleuchtende Objekt oder Element berücksichtigt werden, sondern ein Augenmerk muss auch Personen und Tieren gelten, die sich in der näheren Umgebung befinden. Nur so lässt sich verhindern, dass deren Blick direkt auf eine Lichtquelle trifft. Nur so lässt sich Blendung ausschließen.

Die sorgfältige Positionierung der Leuchte ist der wichtigste Aspekt für eine Eindämmung der Lichtstreuung nach oben.

Selbstverständlich ist eine Beleuchtung von oben nach unten zu bevorzugen, da so die Streuung des Lichts in die Atmosphäre auf ein Minimum reduziert werden kann. Sollte dies nicht möglich sein, weil die Lichtplanung eine Beleuchtung von unten verlangt, so ist eine Bewertung der Eigenschaften des Elements bzw. der Struktur, die beleuchtet werden soll, angebracht.

Um Wallgrazing- und Streiflicht-Effekte zu erhalten, die die Textur und Beschaffenheit einer Wand zur Geltung bringen, hat der Lichtaustritt der Leuchte parallel zur Wand zu erfolgen. Um zu vermeiden, dass sich das Licht in den Himmel ausbreitet, ist ein architektonisches Element, wie beispielsweise ein Gesims wünschenswert, das das Licht abschirmt und es innerhalb der Gebäudekontur hält.

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In Ermangelung von Gesims und Überdachungen, ist eine Ausrichtung des Lichtaustritts in Richtung Wand angebracht. Asymmetrische Optiken, Wallwasher und ausrichtbare Optiken erlauben die Lenkung und Bündelung des Lichts in Richtung der vertikalen Fläche, wodurch Streuverluste zur Seite als auch nach oben vermieden wird.

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Die Frage nach dem passenden Optik-Typ verlangt nach einer Vertiefung der techischen Eigenschaften der Leuchten, angefangen bei der Lichtquelle.

LED-Technologie wird aufgrund der Blauanteile des abgestrahlten Lichts häufig beschuldigt, eine schädliche Form der Beleuchtung zu sein. Durch die Entwicklung von Lichtquellen mit warmer Farbtemperatur und, falls zwangläufig LED-Lichtquellen eingesetzt werden müssen, von sogenannten FLEDs (Filtered LED), die dank dem Einsatz spezieller Filter in der Lage sind, den Blauanteil auszufiltern, erhält man einerseits eine Performance wie bei LEDs und andererseits langwelliges Licht, das sowohl im Innen- wie auch im Außenraum gesundheitsverträglicher ist. Des Weiteren wird durch eine Steuerung der Lichtstärke und die Programmierung von Lichtszenen bzw. eine Regelung von Ein- und Ausschaltzeiten die in die Atmosphäre emittierte Menge an Licht und folglich den Skyglow verringert.

Eine weitere Hilfe beim Eindämmen der Lichtstreuung bietet Blendschutz-Zubehör, insbesondere Blendringe und Blenden, die den Lichtstrahl gezielt in eine bestimmte Zone oder auf ein bestimmtes zu beleuchtendes Element lenken. Diese Zubehoerteile erfüllen in erster Linie die Funktion, der Blendung von Personen vorzubeugen, indem sie die Lichtquelle abschirmen bzw. „filtern", beispielsweise durch eine wabenförmige Struktur wie im Fall des Wabenrasters.

Bei Außenbeleuchtung sind die Eigenschaften des Leuchtenkörpers entscheidend, damit das Licht unterhalb der Horizontalen abgestrahlt und die natürliche Dunkelheit respektiert wird.

Bei Leuchten mit einem Lichtaustritt in Richtung Boden, wie beispielsweise Pollerleuchten oder Mastleuchten, leisten die Form des Leuchtenkörpers sowie die Wahl einer flachen Abdeckung bzw. eines flachen Abdeckglases einen wesentlichen Beitrag zur Abschirmung des Lichts und zum Erhalt eines Full-cut-off bzw. einer Lichtstärke von 0-90° und mehr. Dies führt schließlich zu einer Begrenzung der Lichtverschmutzung.

In puncto Beleuchtung in urbanen Lebensräumen erlaubt der Einsatz von Leuchten mit ausgefeilten Optiken, die das Licht genau dorthin lenken, wo es gebraucht wird, geringere Installationshöhen als traditionelle Leuchten, wodurch die Lichtstreuung in die Atmosphäre eingedämmt wird.

Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle verlassen wir den Saal, in dem wir Zeugen dieses kurzen Gerichtsthrillers werden konnten :)

Unter dem Deckmantel dieser Verhandlung wollten wir über die heiklen Aspekte von Kunstlicht reflektieren, das oftmals zu Unrecht angeklagt wird. Wir engagieren uns für eine Beleuchtungskultur im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Licht.

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So wird Lichtverschmutzung im offiziellen Video der IDA erzählt:

Webografie

  1. IDA, Who We Are, https://www.darksky.org/about/(27/09/2021)
  2. IDA, Light Pollution, https://www.darksky.org/light-pollution/ (27/09/2021)
  3. Science Advances, The new world atlas of artificial night sky brightness, https://advances.sciencemag.org/content/2/6/e1600377 (27/09/2021)
  4. Regione del Veneto, Inquinamento Luminoso, https://www.regione.veneto.it/web/ambiente-e-territorio/inquinamento-luminoso (27/09/2021)
    Gazzetta Ufficiale della Repubblica Italiana, Legge Regionale 27 giugno 1997, n. 22,
    https://www.gazzettaufficiale.it/atto/regioni/caricaDettaglioAtto/originario?atto.dataPubblicazioneGazzetta=1997-11-15&atto.codiceRedazionale=097R0591 
    (27/09/2021)
  5. UNI, UNI 10819:2021, http://store.uni.com/catalogo/uni-10819-2021 (27/09/2021)
  6. ANPCEN, https://www.anpcen.fr/?id_ss_rub=127&id_actudetail=232 (27/09/2021)
  7. European Commission, Revision of the EU Green Public Procurement Criteria for Road Lighting and traffic signals, https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC115406 (27/09/2021)
  8. IDA, Model Lighting Laws & Policy, https://www.darksky.org/our-work/lighting/public-policy/model-lighting-laws-policy/ (27/09/2021)
  9. Ecological Society of Australia, The impacts of artificial light on marine turtles, https://www.ecolsoc.org.au/?hottopic-entry=the-impacts-of-artificial-light-on-marine-turtles (27/09/2021)
    IDA, Light Pollution Effects on Wildlife and Ecosystems, https://www.darksky.org/light-pollution/wildlife/ (27/09/2021)
    IDA, Fireflies Need the Dark to Talk with Light, https://www.darksky.org/fireflies-need-the-dark-to-talk-with-light/ (27/09/2021)
    The Ecological Society of America, Bright lights in the big cities: migratory birds’ exposure to artificial light, https://esajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/fee.2029?af=R (27/09/2021)
  10. Circadian light, Report of the council on science and public health, Light Pollution: Adverse Health Effects of Nighttime Lighting, 
    http://circadianlight.com/images/pdfs/newscience/American-Medical-Association-2012-Adverse-Health-Effects-of-Light-at-Night.pdf (27/09/2021)
  11. IDA, 5 Appalling Facts about Light Pollution, https://www.darksky.org/5-appalling-facts-about-light-pollution/ (27/09/2021)
  12. Lifegate, Inquinamento luminoso, cause e conseguenze, https://www.lifegate.it/inquinamento-luminoso-cause-e-conseguenze (27/09/2021)
  13. Journal of Epidemiology and Community Health, The effect of reduced street lighting on road casualties and crime in England and Wales: controlled interrupted time series analysis, https://jech.bmj.com/content/69/11/1118 (27/09/2021)